“Du Tust was?” So oder so ähnlich reagiert praktisch jeder Deutsche, wenn ich ihm sage, dass ich selber Bier braue. Typischerweise geht dann das Gespräch entweder über das Reinheitsgebot irgendwie zum Bier und welche Sorten ich braue, oder verläuft sich aufgrund von vollständigem Unverständnis irgendwie im Sand.
Hobbybrauen ist ein seltenes Hobby in unserer Bierrepublik und tatsächlich habe ich auch erst zwei deutsche Hobbybrauerkollegen getroffen. Anders sieht das aus im Ausland: in den USA, wo Craft Bier einfach schon ewig super hip ist oder in Skandinavien, wo der Preisdruck die Menschen traditionell zum selber Brauen gedrängt hat, ist Hobbybrauen relativ normal. Und so bin auch ich zum Hobbybrauen gekommen: während einem mehrmonatigen Aufenthalt habe ich in Norwegen angefangen selber Bier zu brauen. Während das anfänglich eher aus der Not geschah (bei 3,50 € pro Dose Bier wird man schnell kreativ) habe ich dann festgestellt, dass das Ganze mir ziemlich viel Spaß macht und, zurück in Deutschland, ging es dann gleich los in der heimischen WG-Küche. Inzwischen betreibe ich das Hobby seit über 2 1/2 Jahren und muss sagen- es macht immer mehr Spaß.
Irgendwie ist es eine Mischung aus kreativem Schaffen, Basteln und meditativem Warten und Überwachen. Aus finanziellen Gründen macht man das zwar hierzulande nicht, denn der Spaß kostet einen neben ca. 15-30 € pro Sud (so nennt der Brauer eine Charge) für Rohstoffe und Verbrauchsmaterial auch ca. 12 h Arbeit und eine gehörige Portion Geduld, vom Malz bis ins Glas. Von den Investitionen in Ausstattung und Literatur ganz zu schweigen. Das reicht dann nur für ca 18-25 L Bier, aber wenigstens ist es dann meins, genau so, wie ich es haben will. Und das ist dann auch schon einer der Gründe, warum man das macht: das Bier, das ich braue ist meins. Das letzte Stout war dir nicht „röstig“ genug? Kein Problem, das nächste wird röstiger. Weißbier schmeckt dir am besten kaltgehopft, aber die Hopfensorten deines kommerziellen Lieblingsbieres sind nicht ganz ideal gewählt? Einfach mal ein Paar Sorten durchprobieren. Du willst ein Bier mit Wacholder statt Hopfen brauen? Null Problem, denn als Hobbybrauer sind die Möglichkeiten endlos. Genau das Richtige für kreative Köpfe also.
So kommt man dann auch auf eine beachtliche Vielfalt: ich braue ca. 10 mal im Jahr, durchschnittlich habe ich zu jedem Zeitpunkt etwa 3-5 verschiedene Sorten Bier im Keller. Einen Reinfall gab es bis jetzt noch nicht, aber wie heißt das inoffizielle und oft eher verächtlich gebrauchte Motto des deutschen Hobbybrauerforums: “Bier wird’s immer”.
Und zu guter Letzt: das meditative “am-Einkocher-stehen” belohnt einen neben dem entspannenden Brautag auch mit etwas, was man selbst erschaffen hat. In etwa, wie die Oma die stolz auf ihren Kuchen ist, oder der Gärtner, der sich an seinem Salat erfreut: man könnte es auch kaufen, aber selbstgemacht schmeckt nicht nur besser – es macht auch allen mehr Freude!
Wobei wir dann auch beim nächsten Punkt wären: als Bierliebhaber profitiert auch die Sensorik. Du hast dich schon immer gefragt, was für einen Einfluss auf den Geschmack die verwendete Hefe auf ein Bier hat? Man kann das einfach ausprobieren und die Unterschiede „erschmecken“. Oder verschiedene Hopfen kaufen und „erschnuppern“. Oder herausfinden, wie verschiedene Malzsorten schmecken. Man erlebt das ganze Produkt von den Rohstoffen bis ins Glas, wodurch man auch Konzepte wie Reifeprozesse besser verstehen lernt. Wenn man den Biergeschmack so erlebt, dann nimmt man ihn danach auch viel intensiver wahr.
Zusammenfassend kann man also sagen: wenn man wenig Zeit hat oder sich fragt, warum man Bier eigentlich selber brauen soll, wenn’s das auch zu kaufen gibt, dann sollte man das Hobbybrauen lieber lassen. Wer hingegen Bier liebt und die Rohstoffe, den Herstellungsprozess und das Produkt umfangreich erfahren will, für den ist Bierbrauen genau das richtige. Wer jetzt noch kreativ ist, aber auch den Optimierprozess und Tüfteln mag, der ist der perfekte Hobbybrauer. Bleibt für viele also die Frage: Wie steig‘ ich da am besten ein? Die definitive Antwort darauf gibt es nicht, aber: viele Volkshochschulen und private Anbieter bieten Einsteiger-Braukurse an, die sicher der perfekte Start sind. Für alle Autodidakten gibt es eine Riesen Auswahl an Büchern, auf Englisch (oft zeitgemäßer, aber mit imperialen Maßeinheiten) oder Deutsch. Wer erstmal zu scheu ist die 20-40 € auszugeben, der kann auch seinen Wissensdurst auch im Internet, z.B. auf hobbybrauer.de stillen. Das ist das offizielle Onlineforum der deutschen Hobbybrauer.
Zusätzliche wichtige Onlineressourcen sind:
Fabier-Berechnungen Tolle Seite mit einfachen Berechnungs-Tools für jeden Brauer
Hobbybrauer-Wiki Das offizielle hobbybrauer.de-Wiki mit allen Infos rund ums Hobbybrauen in Deutschland-manchmal leider etwas veraltet
Maische, Malz und Mehr gute Seite mit einfachen Berechnungen und Rezeptdatenbank
Müggeland-Brauerei ähnlich wie Maische Malz und mehr, jedoch mit genaueren Berechnungstools und insgesamt größerem Funktionsumfang
Brewer’s Friend Ähnlich wie die Müggeland-Brauerei, jedoch aus Amerika und hauptsächlich für Amerikaner-trotzdem eine tolle Ergänzung
Wer jetzt noch etwas zögerlich ist, für den wird es auch hier auf bierspindel.net bald was zum Lesen geben zum Thema „Bier selber brauen, wie geht das?“.