Ein guter Freund von uns hat vor Kurzem bei der Brauerei Flügge (laut ratebeer “bestes Bier in Hessen”, “beste Brauerei in Hessen”, “beste neue Brauerei in Hessen” und “best new German brewer”) ein Praktikum gemacht und hat uns vier ihrer durch die Bank erwähnenswerten Biere mitgebracht.
Eine kurze Vorgeschichte: Einer der Gründe warum Viktor zum Hobbybrauen gekommen ist, war die monetäre Lage im Auslandssemester in Norwegen. Da hilft es natürlich, wenn man Biochemiker ist und sich schon mal die Ausgaben für Bier sparen kann. Als ich mit Anni, dem Kveik Pale Ale, in der Hand vom Kühlschrank zurückgekommen bin, fragte er mich gleich ungläubig, ob das tatsächlich mit der norwegischen Kveik Farmerhefe gebraut ist. Es folgte eine längere, durchaus spannende Erklärung über die jahrhundertealte norwegische Hefetradition, über die er aber gerne selbst berichten darf, an dieser Stelle soll es also beim Teaser bleiben (und bei der Motivation für Viktor mal wieder was zu schreiben).
Zurück zum Bier. Noch etwas muss vorweg erwähnt werden und zwar, dass die Jungs bei Flügge nicht mit den Spezialeffekten geizen. Neben einer speziellen norwegischen Hefe wird auch noch Sauermalz verwendet. Hierzu wird das Malz vor dem Darren mit Laktobazillen gesäuert, wodurch der pH-Wert der Maische angepasst und somit unerwünschte Eigenschaften des Brauwassers ausgeglichen werden können.
Gleich zwei Brautechniken bzw. Zutaten die man sonst selten zu Gesicht bekommt. Das Bier ist auf ziemlich trockene 5,0 % Alkoholgehalt bei nur 11,4 °P Stammwürze eingebraut und das schmeckt man auch. Uns gefallen der stabile, feinporige Schaum und die fruchtigen Hopfennoten.
Next up war Béno, das Raw Saison. Auch hier findet sich wieder Sauermalz und weil das natürlich nicht reicht wurde neben Hefe auch noch mit Brettanomyces vergoren. Und weil auch das immer noch nicht reicht, muss das Ganze noch raw, das heißt nicht gekocht, sein. Biere im Brauvorgang nicht zu kochen ist (wie mir wiederum Viktor erklärt hat) ebenfalls eine althergebrachte norwegische Tradition, die vermutlich in den früher nur teuer erhältlichen Kupferkesseln ihren Ursprung hat.
Dieses für Getreideallergiker wirklich ungeeignete Bier ist nicht ganz einfach zu beschreiben. Wenig überraschend überwiegen Malz und Getreide im Geschmack, durch den relativ geringen Alkoholgehalt von 4,6 % ist es aber trotzdem leicht zu trinken, fast sogar erfrischend.
Djup, das Brett IPA, ist zu 100% mit Brettanomyces bruxellensis vergoren und hatte als wir es probiert haben auch schon leicht das charakteristische “Pferdestall” Aroma. Um meine beste Freundin/meinen besten Freund von Craft Bier zu überzeugen ist es also vielleicht nicht die erste Wahl, für den Craft Bier Aficionado allerdings ein gefundenes Fressen.
Hier muss erwähnt werden, dass Flügge lobenswerterweise das Abfülldatum auf die Flaschen druckt und so weiß der Konsument direkt was Sache ist. Beide “Brett” Biere, also Béno und Djup, waren zum Trinkzeitpunkt noch recht jung, demnach war der Geschmack noch nicht voll ausgeprägt. Mich als Craft Bier Fan reizt es aber absolut, mehrere Flaschen von den Bieren zu holen und zu unterschiedlichen Reifegraden zu probieren. Der Geschmack sollte sich über die Lagerdauer stark ändern.
Djup kommt recht trüb ins Glas und schmeckte als wir es getrunken haben leicht sauer, wobei ein deutlicher Hopfengeschmack durchkommt. Muss ich noch erwähnen, dass Sauermalz zum Brauen verwendet wurde? Ich denke nicht.
Als letztes hatten wir Fil, das Johannisbeer Sauer. Aufgrund von Reinheitsgebotgründen handelt es sich hierbei um ein “alkoholisches Getränk auf Malzbasis”. Hier ist nicht nur unsere neue Lieblingshefe aus Norwegen, sondern es sind auch noch Milchsäurebakterien am Werk. Die absolut geniale rosa Farbe und der fruchtige Geschmack kommen vom Johannisbeerpüree, auf dem das Bier gelagert wird. Selbst für Kenner belgischer Sauerbiere gibt es hier noch was zu entdecken. Der Nachgeschmack hat uns jedenfalls ein Rätsel aufgegeben, falls jemand eine Assoziation dazu hat, bitte an wir@bierspindel.net schicken. Wir sind für jeden Input dankbar.
Abschließend bleibt zu sagen, dass uns bei allen Bieren überrascht hat wie gut der Geschmack am Ende doch ausgeglichen war. Die Gefahr beim Großteil der Sonderbrautechniken und -zutaten ist ja immer, dass diese zwar “interessant” aber häufig weder gut noch ausgeglichen schmecken. Das Gefühl hatten wir bei keinem der Biere. Sie waren alle super trinkbar und jedes für sich etwas Besonderes. Craft Bier Einsteigern raten wir aber dennoch sich vielleicht mit einer gewissen Vorsicht an die Brauerei Flügge heranzutasten.